Blindenschrift in aller Welt

Die Blindenschrift – Lesen mit den Fingerspitzen

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Heute ist der Todestag von Helen Keller (1880 - 1968). Diese außergewöhnliche Frau war blind und taub. Doch das hinderte sie nicht daran, eine Universitätsausbildung zu machen. Sie schrieb Bücher und engagierte sich stark auf der politischen Bühne. Dies war möglich, da es schon seit 1825 verschiedene Arten von Blindenschrift gab.

Arten von Blindenschriften

Schon alleine die Umwelt erfahren zu lernen, brauchen Taubblinde besondere Strategien. In der Regel befühlen sie die Gegenstände und bekommen dann den Namen mit dem Fingeralphabet der Tauben in die freie Hand geschrieben. So lernen sie ihre Muttersprache kennen.

Zum Lesen von Texten gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Wege:

  1. Mit der Reliefschrift werden mit unseren lateinischen Buchstaben geschriebene Texte über die Fingerspitzen lesbar.
  2. Mit der Punktschrift gibt es ein eigenständiges System aus 6 - 8 Punkten, die das die Schrift für Sehende übersetzt werden muss.

Am weitesten verbreitet ist die 1825 von Louis Braille entwickelte und nach ihm benannte Braille-Schrift. Auch er war selbst taubblind. Mit Hilfe dieser Schrift lernte Helen Keller auch Französisch, Deutsch, Griechisch und Latein.
Bei beiden Verfahren ist der Nachteil, dass zum Druck solcher Bücher viel dickeres Papier notwendig ist und die Herstellung dabei auch sehr teuer ist.

Auch am Computer kann man Texte in Braille verfassen. Und innovative Startups erforschen, wie KI auch in diesem Bereich die Barrierefreiheit verbessern kann.

Blindenschrift in Ostasien

Braille ist tatsächlich ein globales Schriftsystem: Sogar komplexe Schriften wie das Japanische, das Koreanische und das Chinesische können so Sehbehinderten zugänglich werden.

Japanisch nutzt die Brailleschrift mit 6 Punkten. So lassen sich die Silbenschriften (Kana) darstellen. Sie haben einen festgelegten Lautwert wie unsere lateinischen Buchstaben. Dabei sind bestimmte Punkte den Vokalen vorbehalten, andere Punkte zeigen den dazugehörigen Konsonanten an.

Im Jahr 2019 veröffentlichte der junge japanischer Designer Kosuke Takahashi eine Methode die japanische Silbenschrift mit Braille zu kombinieren, so dass derselbe Text sowohl für Sehende als auch Sehbehinderte lesbar ist. Die Idee kommt gut and und findet bereits in Behörden in Tokyo Verwendung.

Das japanische Braille ist in seinem Aufbau mit dem von Louis Braille erfundenen System verwandt. Dahingegen stützt sich das koreanische Braille auf die Muster der koreanischen Schrift, dem Hangul. Mehr zu dieser Schrift gibt es in diesem Artikel.

Auch für Chinesisch gibt es eine Braille-Schrift. Auf dem Festland nutzt man als Aussprachehilfe die Umschrift in lateinische Buchstaben (Pinyin). Jedes Schriftzeichen kann in einen Anlaut, einen Auslaut und einen Ton unterteilt werden. Jedem dieser Teile wird ein Block aus 6 Punkten zugewiesen. Jede Silbe kann dann mit 18 Punkten dargestellt werden. Doch was ist mit den vielen gleichlautenden Silben, die nur durch ihre Schriftzeichen unterschieden werden?

Braille für chinesische Schriftzeichen

Auf Taiwan werden zur Umschrift keine lateinischen Buchstaben benutzt. Und in der japanischen Sprache gibt es sehr viele gleichlautende Silben. Deshalb werden auch hier die chinesischen Schriftzeichen (Kanji) sicher nicht abgeschafft. Um diese Kanji auch in Braille darzustellen braucht man 8 Punkte (Kantenji). Doch wie soll man mehr als 2000 Kanji mit 8 Punkten darstellen? Der Trick ist, dass - wie in der Computersprache auch - Kanji mit Doublebytes darzustellen. Bei den Kantenji nutzen die wichtigsten Schriftzeichen nur 8 Punkte, komplexere Zeichen jedoch 16 Punkte.

Was mich jedoch am meisten fasziniert, ist die Erfindung von neuen Kombinationen: Für Sehende gibt es ein Zeichen, das "rot" bedeutet (jap. aka 赤). Für Blinde gibt es da eine Kombination aus zwei mal 8 Punkten: Die linke Hälfte ist als Silbenzeichen "shi" zu lesen, steht aber auch für "Farbe" (jap. shiki) die rechte Hälfte hat den Lautwert "ka", steht auch für das Element "Gold" (jap. kane). Das ist eine thematische Kombination. Genauso kann man mit dem Lautwert eines Schriftzeichens und seiner Bedeutung spielen und beschreibende Kombinationen bilden.

Wie auf Taiwan ein Text in Braille aussieht, zeigt der rechte Teil des Titelbildes.