Selbstverständlich erhält jedes Kind in seinem Heimatland Muttersprachenunterricht in der Schule, der jedoch in Deutschland generell "Deutsch" heißt. Alle anderen Sprachen gelten bei uns als "Fremdsprachen", auch wenn es die (zweite) Muttersprache von den Kindern ist, deren Eltern (oder auch nur ein Elternteil) aus einem anderen Land stammt. Das gilt selbstverständlich auch, wenn es logischerweise eigentlich die Muttersprache ist, wie bei den Migrantenkindern. Interessanterweise wird zum Beispiel in Japan das Schulfach "Japanisch" jedoch als "Landessprache" bezeichnet, was darauf hinweist, dass hier genauer hingesehen werden muss.
In den letzten Jahren sind nun extrem viele Migranten nach Deutschland gekommen. Die lautstarke Forderung nach Integration bedeutet vor allem eines: Die Menschen sollen Deutsch lernen und sich möglichst weitgehend an die deutsche Kultur anpassen. Der Identität der Einwanderer, die sich aus ihrer Muttersprache, ihrer Religion und ihren Gebräuchen ergibt, wird dabei wenig Rechnung getragen. Das macht die Integration für die Erwachsenen nicht gerade einfach und auch die Kinder werden zu einem Leben im Spagat zwischen der deutschen Kultur in Schule oder Kindergarten und der Herkunftskultur zuhause gezwungen. Viele meistern diese Situation recht gut und werden Vermittler zwischen den Angehörigen der eigenen Migrantengruppe und den Deutschen.
Muttersprachenunterricht für Migrantenkinder
Es gibt ja schon länger den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht für viele Sprachen der Gastarbeiterferien: Türkisch, Arabisch, Portugiesisch oder Russisch. Die griechischen Gastarbeiter haben für Ihre Kinder sogar eigene Schulen durchgesetzt, in denen nach dem griechischen Lehrplan bis zum Abitur unterrichtet wird. Der Ergänzungsunterricht wird aber meist von einem Verein der Eltern getragen, oder - wie bei Türkisch - sogar vom Heimatland gefördert mit dort ausgebildeten Lehrern und Schulbüchern. Da es aber in der Regel nur 2 Wochenstunden sind, die völlig außerhalb des deutschen Lehrplans stehen, wird dieser Unterricht sehr argwöhnisch betrachtet. Dabei belegen verschiedene Studien bereits, dass Kinder, die in ihrer Muttersprache fließend sprechen, lesen und schreiben können, auch besser mit der deutschen Sprache zurecht kommen.
Während Kinder mit der (zweiten) Muttersprache Englisch, Französisch oder Spanisch diese Sprache dann gemeinsam mit ihren deutschen Klassenkameraden als Fremdspache lernen können, haben die Migrantenkinder bislang keine Chance auf einen solchen Unterricht. Und dieser Englisch-, Französisch- oder Spanischunterricht wird niemals das Niveau von Muttersprachenunterricht erreichen, so dass diese Kinder dann außerhalb der Schule noch extra Unterricht nehmen, genauso wie die Kinder mit einem japanischen oder chinesischen Elternteil. Interessanterweise gelten aber Japanisch und Chinesisch als zukunftsträchtig genug, dass sie inzwischen an einigen Gymnasien als Wahlfach oder gar 3. Fremdsprache angeboten werden.
Muttersprachen, Fremdsprachen und Landessprachen
Die Statistik zeigt, dass die stärksten Bevölkerungsgruppen in Deutschland neben den Deutschen selbst jedoch im Jahr 2015 die Türken (1,5 Millionen), die Polen (740.000) und die Italiener (knapp 600.000) sind. Doch keine dieser Sprachen wird in der Schule angeboten. Als ich in Bayern zur Schule ging, gab es in unserer Stadt sogar Italienisch und Russisch noch als Wahlfach, aber bei dem Leistungsdruck, dem die Kinder heute ausgesetzt sind, werden sicher wenige noch so ein Wahlfach belegen.
Vor diesem Hintergrund erscheint mir der Beitrag zweier Sprachwissenschaftler in Berlin sehr interessant. Denn was auch immer nach dem BREXIT mit der EU geschehen mag - es dürfte vielen zukünfitigen Arbeitnehmern in Deutschland helfen, wenn ihre muttersprachlichen Fähigkeiten gefördert und ihr Potential als Vermittler zwischen den Kulturen eingesetzt werden kann.