Chinesisch dekodiert, aktiv gehört und jetzt aktiviert

Chinesisch dekodieren und aktiv hören

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Seit Ende Januar bin ich mit meinem Chinesischkurs in die 2. Phase gegangen: aktiv Hören und dekodieren. Eine Woche lang hörte ich zusätzlich zu mindestens 1 Stunde über die Haut, die Audiodatei nun auch über die Ohren. Der erste erstaunliche Effekt war, dass ich nun nicht mehr nur "Kauderwelsch" höre, sondern ganz deutlich die einzelnen Silben und Wörter mit ihren unterschiedlichen Tonhöhen. Bald erwischte ich mich auch schon dabei, wie ein Kleinkind einzelne Sätze und Bruchstücke nachzubrabbeln.... Ich hatte eindeutig wenigstens schon Chinesisch hören gelernt. Das ist nach Dr. Alfred Tomatis die Voraussetzung, für das Sprechen einer Sprache.

Dekodieren von Chinesisch

Damit ich die Texte meines Audios aktiv mitlesen kann, müssen sie zunächst dekodiert werden. Der Kurs, den ich hier als Grundlage nutze, stammt nicht von Vera F. Birkenbihl. Deshalb muss ich mir die gehirngerichten Materialien anhand des Lehrbuches selbst zusammenstellen. Das macht ziemlich viel Arbeit. Bisher habe ich ja nur Sprachen dekodiert, die ich selbst spreche. Diesmal tappe ich erst einmal im dunkeln und darf mir die Grammatikregeln selbst erschließen - ganz wie es ein Kleinkind beim Sprechen lernen auch tut.
Also schreibe ich also erst einmal die deutsche Übersetzung des Dialoges ab, und weiß dann wenigstens, was hier gesagt wird. Dann kommt die Tüftelarbeit damit es dann so aussieht wie im Bild:

Eine kleine Tabelle mit 3 Zeilen: die oberste für die chinesischen Zeichen, die ich später ergänzen möchte um einen Vergleich zum Japanischen zu haben. Ein weiter Nebeneffekt ist dabei, dass die Bildzeichen sich optisch bereits einprägen und man sozusagen mit der Ganzwort-Methode sogar lesen lernt. In die mittlere Zeile kommt der chinesische Text in lateinischen Buchstaben samt Hinweisen auf die Tonhöhe. In die unterste Zeile schreibe ich dann die Bedeutung des einzelnen chinesischen Wortes auf Deutsch. Hierbei ist die Übersetzung des Dialogs eine Unterstützung.

Trotzdem kommt es vor, dass ich die direkte Übersetzung im Internet nachschlage. Zum Glück gibt es von Leo.org auch ein Chinesisch-Deutsches Wörterbuch. Dort kann man mit der deutschen Tastatur das Wort - sogar ohne Hinweise auf den Ton - eingeben und bekommt eine Reihe von Übersetzungen angeboten. Hier muss man jedoch noch einmal den Ton überprüfen um Fehler zu vermeiden.

"Hart" oder "weich" dekodieren?

Beim Dekodieren gibt es auch eine Grundsatzfrage: Dekodiere ich "hart" oder "weich".
Beim "harten" Dekodieren erscheint in der Muttersprache die Fremdsprache mit all den grammatikalischen Hinweisen, die es dort gibt. Zur Not mit Sonderzeichen oder Kürzeln, wenn es diese Elemente der Grammatik in der Muttersprache nicht gibt. Chinesisch ist eine sogenannte isolierende Sprache. Das heißt, es gibt keinerlei Veränderungen an den Worten, keine Deklination (Fälle der Substantive) und keine Konjugantion (Anpassung der Verben an die Person). Ähnliches gilt zum Beispiel auch für Englisch.

Deshalb stehen die Verben bei der Dekodierung in der Grundform (Infinitiv). Dafür gibt es jedoch kleine Wörter, die eine rein grammatikalische Funktion haben und nicht übersetzt werden können. So kann man das Fragezeichen hören und es gibt je nach Kontext sogar mehrere Varianten davon. Der Vorteil des "harten" Dekodierens ist, dass der Lernende komplett in die Gedankenwelt der Fremdsprache eintauchen kann. Als Sprachtrainerin beginne ich hier auch zu verstehen, welche Herausforderungen ein Chinese dann beim Deutschlernen haben könnte.

Beim "weichen" Dekodieren fließen die Gewohnheiten der Muttersprache mit ein und es werden zum Beispiel im Deutschen die Fälle und die Verbendungen so angezeigt, wie wir sie gewohnt sind. Der Lernende merkt jedoch irgendwann, dass es zwar im Deutschen diese Unterschiede gibt, im Englischen oder Chinesischen, aber immer das Selbe steht. Bei Materialien für Kinder bevorzuge ich diese Strategie.

Aktiv hören

Anfangs konnte ich mir beim Dekodieren diese Vokabeln auch schon ganz gut merken. Doch nach 3 Wochen und zwei Dritteln des Lehrbuches fällt mir auf, dass die vielen ähnlich klingenden Silben teilweise doch sehr verwirrend sind. Seit ein paar Tagen trenne ich nun das Dekodieren vom aktiv Hören. Die Dialoge, die ich inzwischen komplett verstehe, höre ich mir zwar noch an und freue mich über meine passiven Kenntnisse. Dort wo es noch hapert, nehme ich mir die Dekodierung vor und lese mit. Wo es mir zu schnell geht, stoppe ich das Audio und gehe den Satz noch einmal langsam durch während die Worte noch in meinem Kopf widerhallen.

Vera F. Birkenbihl empfiehlt sogar, dass man sich die Szene lebhaft vorstellen soll um noch mehr Kontext zu haben. Das unterstützt das Gedächtnis noch mehr. Schließlich haben wir unsere Muttersprache ja auch immer in der aktuellen Situation gelernt.

Aktiv Hören ist ziemlich anstrengend und es reicht tatsächlich, wenn man täglich nur etwa 10 bis 15 Minuten dafür aufwendet. Es macht nichts, wenn man einen Dialog mehrere Tage lang auf diese Weise wiederholt. Mit zunehmendem Vokabular, wird es auch leichter. Das merke ich vor allem, wenn ich einen Dialog aus einer Übung dekodiere, denn diese muss ich mir ja vorher selbst übersetzen. Es ist schon erstaunlich, wieviel man passiv versteht, wenn man sich ein wenig mit der Sprache beschäftigt hat.

Heute habe ich keine Zeit...

Natürlich kann es auch einmal passieren, dass man an einem Tag - oder gar mehreren hintereinander - keine Zeit für das aktive Hören hat. Das ist kein Beinbruch. Der Vorteil an der Arbeit mit dem ISONO-Gerät ist, dass man selbst an Tagen voller Termine, wenigsten das Gerät für ein bis zwei Stunden anlegen kann. Damit signalisiert man dem Unterbewusstsein, dass man trotz all den anderen Aufgaben immer noch starkes Interesse an dieser Sprache hat.

In meinem Fall gab es ein paar Tage, an denen ich intensiv an unserem Französischkurs arbeiten musste. Auch während des  Aktivierungskurses habe ich Chinesisch nur passiv weiter gehört. Das hat nur zur Folge, dass ich mit dem Dekodieren und aktiv Hören nicht ganz so schnell weiter gekommen bin. Letztendlich werde ich also für die 2. Phase inklusive selbständiger Dekodierung statt 4 Wochen ganze 6 Wochen brauchen. Jetzt suche ich jemanden, mit dem ich die Aktivierung durchführen kann.

Doch es gibt immer wieder positive Erlebnisse mit dem Chinesischen: Neulich erkannte ich auf einer Zugfahrt eine chinesische Familie an ihrer Sprache - auch wenn ich noch kein Wort verstanden habe. Die Sprache ist mir nun zu einem gewissen Maße vertraut. Ich bin wie ein Kleinkind von 2 Jahren, das ein bisschen brabbelt und beginnt, den Sinn des Gehörten zu verstehen.
UND ich bin auch eine Sprachtrainerin, die sich auf analytischem Weg eine neue Sprache erschließt.